Wir schaffen uns unser eigenes “Fantasieland“

In der Rubrik „Rentnertratsch“ berichten ehemalige Schülerinnen und Schüler über ihre Erfahrungen nach dem Schulabschluss. In dieser Ausgabe: Leon Nungesser, Abschlussjahrgang 2012. Er absolvierte eine Ausbildung als Erzieher an der Fachschule in Elsfleth und studiert heute in Hildesheim „Szenische Künste“. An der Niederdeutschen Bühne Nordenham sammelt er praktische Erfahrungen mit Theater und Plattdeutsch als Regisseur der Jugendgruppe „TUSCULUM“.

ABER HALLO: Wie ist deine Verbindung zur plattdeutschen Sprache?

Leon Nungesser: Diese Sprache ist eine sehr interessante und vielfältige Sprache. Wenige Kilometer reichen aus, um sie in Teilen anders klingen zu lassen. Genau das finde ich an dieser Sprache sehr interessant. Meine Verbindung zu dieser Sprache ist eine durchweg positive. Ich inszeniere derzeit „DIE PHYSIKER“ auf Plattdeutsch, aber auch ich beherrsche diese Sprache nicht perfekt und verstehe nicht zwingend alles, wenn außerhalb des Stückes Plattdeutsch gesprochen wird. Aber Übung macht den Meister.

Anfang im Theaterkurs der Realschule I

Mich mithilfe von Theaterstücken mit der Sprache auseinanderzusetzen, bereitet mir sehr viel Freude. Und diese Freude an Dritte weiterzugeben, um das Kulturgut zu erhalten, betrachte ich als Hauptaufgabe der Niederdeutschen Bühne in Nordenham.

ABER HALLO: Wie lange spielst du jetzt schon Theater und seit wie vielen Jahren beherrschst du schon Plattdeutsch?

Leon Nungesser: Angefangen hat alles in der Oberschule 1. Damals besuchte ich den Wahlpflichtkurs Theater unter der Leitung von Torsten Lange. Wir probten an einer Adaption von „Frühlingserwachen“ nach Frank Wedekind aus der Feder von Nuran David Calis. Das Spielen und der Kick auf der Bühne begeisterten mich so sehr, dass ich mich parallel dazu für die Theater AG verpflichtete. Dort spielten wir den „Sommer-nachtstraum“ in einer Musicalversion in Kooperation mit der damaligen Musik-AG. Diese Arbeit fesselte mich so sehr, dass ich mich 2012 entschloss, bei der Jugendgruppe TUSCULUM der Niederdeutschen Bühne Nordenham einzusteigen. Dort war meine erste Rolle eine hochdeutsche Rolle, da ich mich an das Plattdeutsch noch nicht heranwagte.

Auseinandersetzung mit Plattdeutsch

Mir war aber klar, dass ich mich irgendwann mit dieser Sprache auseinandersetzen werde. So kam der damalige Leiter auf mich zu und fragte, ob ich bei den Erwachsenen eine Gastrolle spielen wollen würde. Schon war ich mit der „platten Sprache“ konfrontiert, denn diese Rolle war durchweg auf Plattdeutsch. Dort begann meine Leidenschaft für diese Sprache. Es war anstrengend, aber gut. Durch diese Erfahrung weiß ich, wie sich meine derzeitigen Jugendlichen im Hinblick auf Plattdeutsch fühlen, daher versuche ich ihnen die Auseinandersetzung mit Plattdeutsch so angenehm wie möglich zu gestalten. Der Humor dieser Sprache geht dabei auf alle Fälle nicht verloren.

ABER HALLO: Möchtest du weiterhin Theater spielen und gibt es eine Verbindung zwischen deinem Hobby und deinem Beruf, den du ausübst?

Leon Nungesser: Ich spielte seit 2012 jährlich in verschiedenen Stücken bei der Niederdeutschen Bühne mit. Jetzt, und auch durch das Studium, ist es Zeit, die Seiten zu wechseln, in den Hintergrund zu treten und andere große Bereiche kennenzulernen. 2016 beendete ich erfolgreich meine Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher und habe entschieden, mich auf den Bereich Theater zu spezialisieren. Meine Ausbildung war mir sehr hilfreich, denn im Rahmen von Fortbildungen zu Theaterpädagogik wurde das Gefühl in mir stärker, etwas mit Theater auch beruflich zu machen. Später, wenn ich beispielsweise im Theater beruflich mit Jugendgruppen arbeite, kann die Ausbildung sehr hilfreich sein. Ich profitiere zum Teil jetzt schon von der Ausbildung, denn so kann ich eigenverantwortlich TUSCULUM leiten und weiterentwickeln. Die Verbindung ist ganz klar zu erkennen: Beide Bereiche haben mit Menschen zu tun, denn ich arbeite gerne mit Menschen zusammen. Beide Bereiche profitieren von Menschen und in beiden Bereichen, sowohl beruflich als auch dem Hobby, ist der pädagogische Prozess das wichtigste Element in der Arbeit.

Pädagogische Prozess ist das wichtigste Element

ABER HALLO: Was ist für dich Theater? Kann es auch eine Art Kunst sein?

Leon Nungesser: Theater ist mehr. Theater ist Konfrontation. Theater ist der Spiegel der Gegenwart. Theater heißt, sich auch den unangenehmen Fragen stellen zu können. Theater heißt auch zu keinem Ergebnis zu kommen. Theater ist Körperkunst. Der Körper eines Menschen im Theater ist der Klangkörper der Charaktere, die (noch) auf dem Papier geschrieben sind. Durch unsere Körper entstehen tolle Charaktere auf der Bühne, die jeder für sich in seiner eigenen Version präsentieren kann. Theater ist Theorie und Praxis zugleich – Theater sagt nie nichts aus. Eine Kommunikationskunst. Eine Konfrontationskunst. Kunst. Art.

ABER HALLO: Warum könnte Theater eine wichtige Beschäftigung für Jugendliche sein?

Aufgestauten Emotionen freien Lauf lassen

Leon Nungesser: Im Theater kann man seinen aufgestauten Emotionen –  Wut, Trauer, Freude, Euphorie, Hass – freien Lauf lassen. In den Übungen vergessen wir den Alltag, den ganzen Stress, wir schütteln ihn im wahrsten Sinne des Wortes ab. Im Theater hat jeder seine Macken. Im Theater ist jeder willkommen. Der bereits erwähnte pädagogische Prozess ist hier für Jugendliche besonders wichtig. Sie erleben Erfolge, sie erleben Enttäuschungen, sie erleben ganz viel. Sie lernen ihren Körper vielleicht auch ganz anders kennen als sie ihn bereits kennen. Wie wirkt wann was? Das ist eine große Frage, die im Theater reflektiert wird. Hierbei gilt immer das eine: Spaß!

ABER HALLO: Wo könnten jetzt beispielsweise Jugendliche auf dich zukommen, wenn sie Interesse hätten auch im Theater mitzuspielen oder auch im Hintergrund mitzuwirken?

Leon Nungesser: TUSCULUM (und auch die Erwachsenen) sucht (suchen) immer Menschen. Jeder wird gebraucht, jeder kann was bewirken, jeder hat die Chance! Die Menschen im Hintergrund sind genau so wichtig wie die Menschen auf der Bühne. Kids ab 12 Jahren und Jugendliche bis ca. 23 Jahren haben die Möglichkeit, jederzeit bei uns einzusteigen und sich einen Einblick auf unserer Homepage ndb-nordenham.de zu verschaffen. Erreicht werden können wir auf unserer Facebookseite überden Nachrichten–Button (https://www.facebook.com/Tusculum/) oder auch per E-Mail: tusculum@ndb-nordenham.de.

Herr Lange ist unser Bühnenleiter, mit ihm könnten Jugendliche auch in Kontakt treten. Außerdem proben wir jeden Freitag von 16 bis 18 Uhr im KASINO (Johannastraße 2 in Friedrich-August-Hütte). Ich bin meistens ab 15 Uhr schon im KASINO und bleibe oftmals bis 18:30 Uhr dort. Für Vor- oder Nachgespräche stehe ich gerne zur Verfügung. Einfach vorbeikommen, zuschauen, mitmachen und uns lieben lernen!

ABER HALLO: Was müsste man an Erfahrung mitbringen, um Theater zu spielen?

Leon Nungesser: Freude, dass ist das Allerwichtigste. Bei uns benötigt man keine Vorerfahrungen im Theater. Für mich und für die Gruppe ist es wichtig, dass man offen ist für verschiedene Themenschwerpunkte, die im Theater behandelt werden, und dass man Freude hat in einer Jugendgruppe mitzuwirken. Die Gruppe wächst an den Erfahrungen die gemeinsam gesammelt werden, es wird auch darauf geachtet, dass viel Abwechslung sowohl vom Spielplan, als auch innerhalb der Gruppe gegeben ist. Außerdem sollte eine Bereitschaft vorhanden sein, sich mit Plattdeutsch auseinandersetzen zu wollen; die Sprache vollends im Vorfeld zu beherrschen, wird nicht vorausgesetzt.

ABER HALLO: Was sind deine Zukunftspläne, die du privat und im Theater hast?

Leon Nungesser: Der optimale berufliche Weg für mich ist der, dass ich nach meinem Studium in einem Theater mitwirken und damit „meine Brötchen verdienen“ kann. Ich bin auch offen für andere Theaterinstitutionen, zudem muss ich örtlich flexibel bleiben. In TV-Formaten könnte ich später ebenfalls im Hintergrund mitwirken. Privat ist mein Ziel, vorerst das Studium erfolgreich zu beenden und TUSCULUM in Nordenham zu vergrößern und zu etablieren.

Plattdeutsch und Theater wichtige Kulturgüter

ABER HALLO: Und warum sollten Schüler (Jugendliche) Theater spielen oder auch anfangen Plattdeutsch zu sprechen?

Leon Nungesser: Das Theater und diese Sprache sind wichtige Kulturgüter, die unbedingt erhalten bleiben müssen. Historisch sowie kulturell sind beide Bereiche – sowohl in der Kunst, als auch der Rhetorik – sehr interessant und sollten bestehen bleiben. Theater ist einer der wandelbarsten Bereiche der Kultur, denn Theater bleibt nie stehen, sondern geht auf die Menschen und die aktuellen Themen ein und versucht so einen Spiegel der Zeit zu schaffen. Außerdem bietet der Alltag vieler Jugendliche wenig Platz für Fantasie und im Theater wird viel Fantasie benötigt. Wir erschaffen im Theater und auch in Theaterstücken unser eigenes Fantasieland. Das Platte in der Sprache könnte ein neuer Jugendslang werden, denn es gibt auch verschiedene Bands, die plattdeutsche Songs schreiben und singen. Vielleicht gelingt dann auch das ein oder andere Gespräch mit den Großeltern.

ABER HALLO: Spaßfrage für Insider – was verbindest du mit der Aussage „Wir sind nur Gäste“?

Leon Nungesser: Ein sehr aufregendes Jugendtheaterfestival, welches einmal jährlich ein ganzes Wochenende immer woanders in Niedersachsen stattfindet und von dem Niederdeutschen Bühnenbund für die Jugendgruppen der Bühnen organisiert wird. Und ich verbinde damit, dass der Boden auch mal sehr heiß werden kann.  #thefloorislava.

ABER HALLO: Danke für das Gespräch!

| Interview: Lasse Kramer, Kl. 10a |

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Aktuelle Produktion: DE PHYSIKER (Die Physiker) von Friedrich Dürrenmatt, erschienen in einer überarbeiteten Fassung 1980 – ins Plattdeutsch übersetzt von Heino Buerhoop

Eintritt: 4 Euro pro Person

Premiere: 19. April 2018

Weitere Aufführungen: 20.4. / 23.04.* / 25.04.* / 26.04.* / 28.04.

*Schulaufführungen → Schulgruppen können unter lange@ndb-nordenham.de buchen.

Einlass und Abendkasse ab 18 Uhr – Beginn um 19 Uhr

Kartenvorverkaufsstelle: Buchhandlung von Bestenbostel

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